Alles über Vegetarismus
– Vor- und Nachteile, kritische Nährstoffe und Tagesplan
Vegetarismus liegt im Trend: 2021 ernährten sich zehn Prozent der Deutschen ab 14 Jahren vegetarisch und immerhin zwei Prozent vegan – das waren jeweils doppelt so viele wie im Jahr davor. Bei über acht Millionen Menschen in Deutschland spielen also Fleisch oder Fisch keine Rolle mehr. Diese Zahlen zeigen, dass Vegetarismus als Ernährungsform in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Doch ist Vegetarismus überhaupt gesund? Welche unterschiedlichen Formen des Vegetarismus gibt es? Welche Nährstoffe sind kritisch, wenn man auf Fleisch verzichtet? Wie sieht es mit dem Eiweiß bei Vegetariern aus? All diesen Fragen gehen wir im Folgenden auf den Grund – für ein umfangreiches und fundiertes Gesamtbild zum Thema Vegetarismus.
Was ist Vegetarismus – und welche Formen gibt es?
Grundsätzlich ist Vegetarismus eine Ernährungsform, bei der auf Fleisch, Fisch und Meeresfrüchte verzichtet wird. Produkte wie Milch oder Eier, die vom lebenden Tier stammen, sind hingegen erlaubt. Doch es gibt unterschiedliche Formen des Vegetarismus:
Lakto-Ovo-Vegetarier essen weder Fleisch noch Fisch oder daraus hergestellte Lebensmittel. Eier (ovo), Milch (lakto) und Milchprodukte wie Käse und Joghurt sind hingegen erlaubt.
Lakto-Vegetarier verzichten neben Fleisch, Fisch und Meeresfrüchten auch auf Eier. Milch und Milchprodukte werden von ihnen gegessen.
Ovo-Vegetarier essen kein Fleisch, keinen Fisch und keine Meeresfrüchte, verzichten zudem auf Milch und Milchprodukte. Eier hingegen essen sie schon.
Pescetarier verzichten nur auf Fleisch. Fisch, Meeresfrüchte, Milch und Eier sind auf ihrem Speiseplan zu finden.
Veganer essen überhaupt keine Lebensmittel tierischen Ursprungs.
Pudding-Vegetarismus beschreibt das Phänomen, wenn eine vegetarische Ernährung eher ungünstig und einseitig zusammengestellt wird und aus vielen Fertigprodukten und Süßigkeiten besteht.
Beim letzten Punkt wird deutlich, dass eine vegetarische Ernährung nicht automatisch einer ausgewogenen Ernährung entspricht. In den Grundzügen definiert sich Vegetarismus über das Weglassen von Lebensmitteln, die von getöteten Tieren stammen. Wie eine vollwertige vegetarische Ernährung aussehen kann, dazu später mehr.
Wer erfand den Vegetarismus und wann entstand er?
Die Geschichte des Vegetarismus ist spannend. Als Ursprungsländer gelten Indien und der antike griechische Kulturkreis, der den östlichen Mittelmeerraum und Süditalien umfasste. Die Entscheidung für eine fleischfreie Ernährung war damals religiös und philosophisch motiviert. Im 6. Jahrhundert v. Chr. wurde der Philosoph Pythagoras zum Vorreiter in Sachen Vegetarismus. Er und seine Anhänger vertraten die sogenannte Seelenwanderungslehre, die zu einer höheren Einschätzung des Werts tierischen Lebens führte. Der Aspekt der Gesundheit kam erst viele Jahrhunderte später ins Spiel.
Der Schweizer Arzt Maximilian Oskar Bircher-Benner (1867–1939) etablierte die vegetarische Vollwertkost als Heilmethode. Bis heute berühmt ist das von ihm entwickelte Birchermüsli. 1946 wurde die Vegetarier-Union Deutschland gegründet, die heute unter dem Namen proveg international firmiert.
Was sind Gründe für den Vegetarismus?
Heute ist das Tierwohl die größte Motivation für Vegetarismus. Laut BMEL-Ernährungsreport 2022 haben 71 Prozent aller Befragten, die ein veganes oder vegetarisches Produkt gekauft haben, dies aus Tierschutzgründen getan – ein Anstieg von zwölf Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Je nach Altersgruppe variieren die Motive für eine vegetarische Lebensweise. Bei den 18- bis 29-Jährigen gaben 80 Prozent Nachhaltigkeit und Umweltschutz als die Hauptbeweggründe an. Mit fortschreitendem Alter gerät der Gesundheitsaspekt stärker in den Fokus. 64 Prozent der 60- bis 75-Jährigen gaben dies als größte Motivation für Vegetarismus an.
Leben Vegetarier gesünder?
Stimmt es denn wirklich, dass Vegetarismus die Gesundheit unterstützt?
Wissenschaftler der Universität Oxford kamen bei einer Studie mit 48.000 Teilnehmern über 18 Jahren zu der Erkenntnis, dass Vegetarier ein rund 22 Prozent geringeres Risiko für ischämische Herzerkrankungen haben. Darunter versteht man zum Beispiel die koronare Herzkrankheit (KHK), Herzrhythmusstörungen oder Herzinfarkte.
Auch gegen die Volkskrankheiten Übergewicht und Diabetes Typ 2 soll Vegetarismus schützen, wie eine Beobachtungsstudie der US-amerikanischen Georgia State University belegt. Die vegetarischen Studienteilnehmer nahmen im Vergleich zu den Allesessern doppelt so viel ab. Dies lässt sich auf folgende Aspekte zurückführen: Pflanzliche Lebensmittel führen zu einer erhöhten Ballaststoffaufnahme, was sich positiv auf Darmtätigkeit und Sättigung auswirkt. Darüber hinaus sind pflanzliche Lebensmittel durch ihren hohen Wasseranteil kalorienärmer und entfalten durch sekundäre Pflanzenstoffe eine zellschützende Wirkung. Letztlich liefern pflanzliche Öle, Nüsse und Saaten ungesättigte Fettsäuren, die dem Stoffwechsel dienlich sind.
Auch in Bezug auf Krebserkrankungen kann eine ausgewogene vegetarische Ernährung eine unterstützende Präventivmaßnahme sein. Immer wieder wird jedoch betont, dass Vergleichsstudien die Wissenschaft vor große Herausforderungen stellen, da nicht nur die Nahrungsaufnahme, sondern der gesamte Lebensstil der Probanden komplett identisch sein müsste. Gleichwohl wird bei Personen, die sich vegetarisch ernähren, davon ausgegangen, dass sie generell gesundheitsbewusster leben, sich mehr bewegen und weniger rauchen.
Wie sollte eine vegetarische Ernährung idealerweise aussehen?
Abwechslungsreich und ausgewogen lauten die beiden wichtigsten Stichworte, wenn es darum geht, eine vegetarische Ernährung gesund im Alltag umzusetzen. Es ist also das Gegenteil von Pudding-Vegetarismus. Das Bundeszentrum für Ernährung zeigt mit der Ernährungspyramide, wie dies gelingen kann. Die Anzahl der Bausteine und die Ampelfarben geben Auskunft über Menge und Häufigkeit der jeweiligen Kategorie:
Die Basis bilden neben Getränken wie Leitungs- und Mineralwasser reichlich rohes und gegartes Gemüse, Salat und Hülsenfrüchte. Nicht fehlen dürfen zudem frisches und getrocknetes Obst, Nüsse und reichlich Brot, Getreide und Beilagen wie Kartoffeln, Quinoa, Bulgur etc. – am besten in der Vollkornvariante.
In Maßen sollten Milch und Milchprodukte sowie mit Vitaminen und Mineralstoffen angereicherte Pflanzendrinks verzehrt werden. Auch Eier, Hülsenfrüchte und pflanzliche Fleischalternativen wie Tofu sollten bei Vegetariern auf dem Speiseplan stehen.
Die Spitze der Pyramide bilden Öle und Fette – hier sollten hochwertige Öle wie Raps-, Walnuss-, Oliven- oder Leinöl den Vortritt haben. Süßigkeiten, salzige Snacks, Softdrinks oder Alkohol werden als Genussmittel nicht ausgeklammert.
Welche Nährstoffversorgung ist beim Vegetarismus kritisch?
Wer sich vollwertig vegetarisch ernährt, der ist im Prinzip gut mit Mikro- und Makronährstoffen versorgt – doch es gibt Ausnahmen. Ein Gespräch mit einer Ernährungsfachkraft oder einem Arzt kann für Vegetarier eine gute Unterstützung sein und Sicherheit bieten. Jede Ernährungssituation sollte individuell betrachtet werden. Folgend ein ausgewählter Überblick über die Nährstoffe, die bei einer vegetarischen Ernährung zu kurz kommen könnten.
Eiweiß: Der Hauptnährstoff ist in aller Munde, sobald es um eine Ernährung ohne Fleisch geht. Der Mythos, dass Protein vor allem in tierischen Lebensmitteln enthalten ist, hält sich hartnäckig. Doch keine Sorge: Auch pflanzliche Produkte enthalten Proteine und beim Vegetarismus werden sie zudem auch noch über Käse, Quark oder Eier gegessen. Mit einer Kombination unterschiedlicher Proteinquellen lässt sich die Ergänzungswirkung der einzelnen Aminosäuren – sie sind die Bausteine der Proteine – optimal ausnutzen. Kartoffeln und Ei, Getreide und Hülsenfrüchte sowie Getreide und Milch sind Beispiele dafür.
Eisen: Eisen ist wichtig für den Sauerstofftransport im Blut und besonders gut in tierischen Quellen enthalten. Aber auch Gemüsesorten wie Spinat, Grünkohl und Fenchel enthalten Eisen, genauso wie Amaranth und Quinoa sowie Nüsse und Saaten. Vitamin C hilft, die Aufnahme von Eisen zu verbessern.
Jod: Meerestiere, Seetang, Fleisch und Wurst liefern nennenswerte Mengen an Jod. Beim Vegetarismus entfallen die meisten dieser Quellen. Die Verwendung von jodiertem Speisesalz kann diese Lücke schließen. Auch Algen haben das Potenzial, die Jodzufuhr zu verbessern.
Selen: Da tierische Lebensmittel in Europa zu den zuverlässigsten Selen-Lieferanten gehören, können Vegetarier schlechter versorgt sein als Omnivoren (Allesesser). Kohl- und Zwiebelgemüse sind pflanzliche Selenquellen. Auch Paranüsse punkten mit Selen, jedoch wird immer wieder auf deren mögliche Strahlenbelastung hingewiesen.
Vitamin B12: Milchprodukte und Eier sind gute Quellen für Vitamin B12, die Vegetariern zur Verfügung stehen. Auch angereicherte Pflanzendrinks können zur Deckung des Bedarfs beitragen. Generell ist es ratsam, die Versorgung mit Vitamin B12 regelmäßig überprüfen zu lassen.
Vitamin D: Das sogenannte „Sonnenvitamin“ zählt zu den Mikronährstoffen, die man im Auge behalten sollten – egal, ob man Fleischesser oder Vegetarier ist.
Omega-3-Fettsäuren: Fettreiche Fische wie Hering, Lachs, Makrele oder Thunfisch gelten als Top-Lieferanten der wichtigen Omega-3-Fettsäuren. Pflanzliche Quellen für gute Fettsäuren sind Leinsamen und Leinöl, Walnüsse sowie Rapsöl. Alternativ gibt es mit Omega 3 angereicherte Produkte auf Basis von Mikroalgen.
Fazit
Vegetarismus kommt immer mehr in der Mitte der Gesellschaft an. Tierwohl und Nachhaltigkeit sind zeitgemäße Argumente, die zeigen, dass nicht nur Geschmack und Gesundheit bei der Lebensmittelauswahl zählen. Wer sich abwechslungsreich und ausgewogen fleischfrei ernährt, trägt aktiv zu seinem Wohlbefinden bei. Mit den kritischen Nährstoffen im Blick ist Vegetarismus heute noch genauso aktuell wie zu den Zeiten des Vegetarismus-Pioniers Pythagoras.
Quellen:
https://proveg.com/de/ernaehrung/anzahl-vegan-vegetarischer-menschen/
https://www.dge.de/wissenschaft/faqs/selen/